All-IP – das digitale Fräulein vom Amt

Telefonie ist im Wandel begriffen. Analoge Vermittlungstechnik wurde schon vor vielen Jahren durch digitale (ISDN) ersetzt. Auch wenn damit das Zeitalter schneller Verbindungen eingeläutet wurde, ist diese Technik leitungsgebunden – und damit sind ihr Grenzen gesetzt. Das ändert sich jetzt rasch. Die Vermittlungstechnik ist zwar immer noch digital, aber es werden keine exklusiven Leitungen mehr geschaltet.

Die Umstellung auf All-IP kommt: So viel steht fest. Bis 2018 wird ein Großteil aller ISDN-Anschlüsse in Deutschland modernisiert sein. Damit werden die Anwendungen, die bisher noch auf klassischer Leitungsvermittlung basieren, dann ebenfalls Telekommunikationsnetze auf Basis des Internet-Protokolls (IP) nutzen. Das betrifft vor allem auch die analoge Telefonie. Auch sie wird mit der Umstellung der Vergangenheit angehören. Der große Vorteil für Serviceanbieter ist, dass so nur noch eine Infrastruktur und nur eine „Vermittlungstechnik“ unterstützt werden müssen und Pflege und Wartung einer Technik entfallen, mit der sich kaum jemand noch richtig auskennt und die von der modernen Telekommunikationsinfrastruktur längst überholt worden ist. Darüber hinaus bringt die Umstellung neben schnelleren Verbindungen auch erhebliche Kostenersparnisse mit sich. Außerdem punktet der Ansatz durch hohe Zukunftsfähigkeit, führt insgesamt also zu einem besseren, moderneren und effizienteren Netz, das Breitbandinternet, Telefonie, TV und übrige Telekommunikation zusammenführt und jedem überall zugänglich macht.

Ganz oder gar nicht

Alles gut also? Nicht ganz. Denn mit dieser Umstellung wird es auch eine steigende Zahl von Fehlfunktionen geben, und das vor allem in der Übergangsphase: Verdrahtungsfehler, Kurzschlüsse, Vertauschungen oder Längenverletzungen in den Inhouse Ethernet-Verkabelungen und unterschiedlichste LAN-Neu-, Misch- und Hybridverkabelungen (ISDN und All-IP) sowie parallel laufende Systeme werden zu einer technischen Herausforderung. Es kann aber auch vorkommen, dass das bisherige Nutzungsverhalten nicht richtig analysiert wurde und die neue Infrastruktur nicht zum Kunden passt. Zusätzlich gibt es Anwendungen wie medizinische Notrufsysteme, EC-Karten-Terminals und Kassensysteme sowie Alarmanlagen, die auf den Betrieb über Festnetz ausgelegt sind. Die Möglichkeit die Schicht 1 oder 2 dauerhaft zu überwachen fällt einfach weg. Nach einer Umstellung auf All-IP hat ein Ausfall der Technik deutlich schwerere Konsequenzen als früher, denn wenn sie nicht funktioniert, dann bricht das gesamte Kommunikationsnetz eines Kunden – Telefonie, Internet, Fernsehen – zusammen. Und da der Übergang zu neuen Technologien selten ohne Schwierigkeiten abläuft, kommt es immer wieder zu Störungen und Unregelmäßigkeiten, und sie häufen sich, je mehr Kundenanschlüsse umgestellt werden.

Mit Messtechnik die Weichen für All-IP stellen

Die Umstellung von ISDN auf All-IP hat zum Beispiel zur Konsequenz, dass auf den Teilnehmerleitungen keine Spannung mehr gemessen werden kann. Somit entfällt die Speisung von der Vermittlungsseite und die Teilnehmeranschlussleitung lässt keinen Rückschluss mehr auf den geschalteten Anschluss zu. Zudem ist eine Verbindung nur noch mit Authentifizierung über Benutzername und Passwort möglich, welche zusätzlich zu den PPP-Kundendaten der Datenverbindung erforderlich sind. Ein falsch konfigurierter Port oder IP-Adresse führen bereits dazu, dass hier nichts mehr geht. Auch kann es nach einer Umstellung vorkommen, dass zu bestimmten Tageszeiten Sprachpakete durch schwankenden Bandbreitenbedarf auf einmal verzögert (Delay) oder gar nicht (Paketverlust) übertragen werden, was zu Qualitätsverlust führt. Darüber hinaus muss durch Syncverlust mit Verbindungsabbrüchen gerechnet werden. Gerade bei Anwendungen wie einem Notfallknopf für Senioren oder bei Alarmanlagen, wo die Verfügbarkeit der Verbindung entscheidend ist, muss sichergestellt sein, dass die DSL-Verbindung nicht durch Störimpulse von außen oder durch Nachbarleitungen beeinflusst oder gar unterbrochen wird und dass ein zweiter unabhängiger Übertragungsweg existiert, wie z. B. LTE.

Gut vorbereitet und mit den richtigen Hilfsmitteln allerdings kann man den Übergang zu All-IP reibungslos gestalten. Voraussetzung dafür ist ein Check aller relevanten Parameter. Für die Übergangszeit, gerade dort, wo alt und neu hybrid betrieben werden, muss die eingesetzte Mess- und Prüftechnik mehr leisten und sowohl ISDN- als auch VoIP abbilden können. Auch nach Umstellung durch den Netzbetreiber und erfolgter Migration vereinfacht ein modernes Testgerät (z. B. ARGUS 162) die Inbetriebnahme und Wartung oder die Behebung einer Störung. Geeignete Messtechnik hilft also dabei, die Umstellung auf ALL-IP erfolgreich durchzuführen und dauerhaft die Qualität der Teilnehmeranschlüsse sicherzustellen.

(Erstveröffentlichung in der funkschau-Ausgabe 11/2016)

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